Zum Glücklichsein fehlt vielen Menschen vor allem eines: Kuscheln.
Körperliche Nähe setzt Glückshormone in uns frei, gibt uns ein Gefühl der Sicherheit und Vertrautheit. Angeline Heilfort ist eine der ersten Kuscheltherapeutinnen Deutschlands. Warum die Streicheleinheiten im Alltag bei vielen zu kurz kommen und was sich dagegen tun lässt, erläutert sie im Interview.
Frau Heilfort, kuscheln wir zu wenig? Und wenn ja, was sind die Gründe dafür?
Kinder haben keinerlei Berührungsängste. Sie kuscheln viel und suchen aktiv die Nähe, die wir alle benötigen. Doch spätestens mit Beginn der Pubertät wird das weniger. Als Erwachsene müssen wir uns derartige Kuschelräume erst wieder zurückerobern. Welcher 40-jährige Mann zum Beispiel nimmt regelmäßig einen Freund in den Arm? Männer haben generell noch weniger Körperkontakt als Frauen. Viele von uns müssen erst wieder erlernen, sich diese Freiheit herauszunehmen.
Wird anderswo mehr gekuschelt als in Deutschland?
Es gibt in der Tat viele Kulturen, in denen man sich schon zur Begrüßung in den Arm nimmt und sich auch im normalen Gespräch viel häufiger berührt. Allerdings: Die Kuscheldefizite sind in allen modernen Zivilisationen und Leistungsgesellschaften sehr groß.
Warum ist Kuscheln so wichtig für unser Glück und Wohlbefinden?
Wir Menschen sind nun einmal soziale Wesen und Herdentiere. Über Jahrtausende haben unsere Vorfahren in engen Gruppen zusammengelebt, fast wie ein Rudel. Das Bedürfnis nach dieser Nähe und Vertrautheit ist daher in uns verankert. Kuscheln gibt uns auf einer ganz tiefen emotionalen und psychischen Ebene ein Gefühl der Sicherheit und Zugehörigkeit. Ohne das fehlt uns einfach etwas, wir fühlen uns ausgeschlossen. Eine Berührung hingegen lässt uns viele Sorgen von jetzt auf gleich vergessen.
Was passiert mit uns bei einer Kuscheltherapie?
Kuscheln ist so etwas wie ein Perpetuum mobile des Glücks. Wir fühlen uns zu Hause angekommen, bekommen ein besseres Selbstwertgefühl und spüren tiefe Zufriedenheit, die wiederum ungemein große Kräfte in uns freisetzt. Eine große Rolle spielt dabei das Hormon Oxytocin. Wir geben Glück an andere Personen weiter und empfangen selbst Glück. Dies ist das schönste Geschenk, das uns eine Berührung spenden kann.
Ist es dabei egal, ob wir eine vertraute, liebe Person in den Arm nehmen – oder jemanden, den wir gar nicht kennen?
Der Körper und die Biologie machen dabei keinen Unterschied. Zu Beginn finden viele den Gedanken einer Kuschelstunde absurd und fühlen sich in dieser Situation unsicher. Doch aus meiner Sicht wird die Kuschelbewegung immer bekannter, weckt Neugier bei vielen, es einfach mal auszuprobieren. Richtig ist: Kuscheln hat natürlich auch eine bewusste Ebene. Wir fühlen uns noch sicherer und wohler, wenn es sich um eine vertraute Person handelt. Doch nicht jede und jeder hat nun einmal die Gelegenheit dazu.
Wie ist die Idee zu „KuschelRaum“ entstanden?
Vor einigen Jahren habe ich einen Workshop in Schweden gemacht, der eine Kuschelstunde enthielt. Ich war sofort begeistert – es ist ein Gefühl, als ob man fliegt. Nach einiger Zeit habe ich das Konzept nach Berlin gebracht. Allmählich spricht sich der Wert einer Kuscheltherapie auch hierzulande herum. Gerade die Pandemie und das permanente Abstandhalten haben vielen bewusst gemacht, wie sehr wir Nähe tatsächlich brauchen – und was mit uns passiert, wenn die sozialen Kontakte auf ein Minimum reduziert sind. Wobei eines klar ist: In den Therapien ziehen wir klare Grenzen und kommunizieren offen – es geht um ein Grundbedürfnis von uns Menschen, das Thema hat absolut nichts Anrüchiges!
Wem würden Sie eine Kuscheltherapie empfehlen?
Im Grunde jedem – vor allem aber Menschen, die das Gefühl haben, ständig funktionieren zu müssen, ohne dass sich jemand um sie sorgt. Alleinerziehende Mütter gehören ebenso dazu wie gestresste Manager oder Personen, die lange keine Beziehung hatten und Nähe erst wieder üben wollen.
Wer ist als Kuscheltherapeut oder -therapeutin geeignet?
Dazu gehören Talent ebenso wie Offenheit und eine solide Ausbildung. Unerlässlich ist es, sich komplett auf andere Menschen einlassen zu können, Wertschätzung geben zu können und das Geschenk der Nähe mit anderen zu teilen. Dazu ist längst nicht jeder Mensch in der Lage.
Zum Schluss: Was macht Sie persönlich glücklich?
Natürlich macht es auch mich glücklich, in den Arm genommen zu werden. Ebenso wie Sonne, Meer, Ruhe und Entspannung. Das Gefühl, auf andere Menschen einen positiven Einfluss zu haben und Veränderungen in Gang setzen zu können – das berührt mich und hält mich am Laufen.