Prof. Dr. Horst Opaschowski gilt als Pionier unter den Zukunftsforschern in Deutschland.
Viele Megatrends hat er oft Jahre im Vorhinein prognostiziert, oft genug hat er sich auch mit provokanten Thesen zu gesellschaftlichen Entwicklungen zu Wort gemeldet. Wie schätzt jemand, der den Großteil seines Lebens mit Forschungen zu Gesellschaft, Arbeit, Familie, Freizeit verbrachte, das große Thema „Glück“ ein? In unserem Interview gibt Prof. Opaschowski sehr persönliche Einblicke.
Herr Opaschowski, wie definieren Sie Glück?
Stimmung, Harmonie und Geborgenheit sind für mich Garanten des Glücksgefühls. Glück ist die emotionale Ebene von Lebenszufriedenheit: Ein Wohlgefühl, das sich vorübergehend einstellt – für Momente und nicht auf Dauer. „Ein bisschen Glück“ für Augenblicke – ganz im Goethe’schen Sinne: „Werd‘ ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch, du bist so schön“. Wer glücklich ist, schwebt einen Moment lang zwischen Himmel und Erde – beim Fallschirmsprung oder Bungee-Jumping, beim beruflichen Erfolgserlebnis oder in der Liebesnacht. Der „schöne“ Augenblick könnte ewig dauern!
Glücksseminare und Bücher liegen im Trend, es gibt sogar das Schulfach Glück, fortlaufend werden Glücksstudien und -barometer veröffentlicht. Warum ist das Thema so „in“ – und was sagt das über unsere Gesellschaft aus?
Je mehr Sie über Glück reden, desto weniger haben Sie davon. Wenn wir heute sagen, Wohlstand allein macht nicht glücklich, dann deutet dies auf eine fehlende Sinnperspektive hin. Reichtum macht nicht wunschlos glücklich, eher wunschlos unglücklich: „Was kann ich sonst noch mit mir anfangen?“ Der Wohlhabende hat vielleicht weniger Hunger, dafür umso mehr Angst um sein Geld. In Krisenzeiten, die kein Ende finden, breitet sich eine Art „Glücksbedrohung“ bei den Menschen aus. Werbebotschaften (statt Wertebotschaften) haben Konjunktur, und Trendforscher treten als Glückspropheten auf. Sie verwechseln Fun und Entertainment mit Glück und Glückseligkeit. Sie ersetzen Religion durch spirituelle Aktion. Ist das Thema Glück „in“? Nein. Eher entsteht der Eindruck, dass Glückszwänge die Sinnkrise verschärfen.
Die Welt scheint zunehmend aus den Fugen zu geraten. Gehört den Pessimisten die Zukunft, gibt es Glück fortan nur noch im Privaten?
Die Welt gerät vielleicht aus den Fugen, der Mensch aber nicht aus der Fassung. Ganz im Gegenteil: Die Menschen rücken enger zusammen. Gegenseitige Hilfsbereitschaft wird wichtiger als einseitiges Durchsetzungsvermögen. Die meisten Menschen verlieren ihren Zukunftsoptimismus nicht. Eher zeichnet sich ein Ende der „German Angst“ ab, vor allem bei der jungen Generation. Im Rahmen des Nationalen WohlstandsIndex für Deutschland (NAWI-D), den ich zusammen mit dem Ipsos-Institut entwickelt habe, haben wir 1.107 Jugendliche im Alter von 14 bis 19 Jahren repräsentativ nach ihrer Lebenszufriedenheit befragt. Das Ergebnis 2018: Mehr als zwei Drittel der U20-Generation sagen: „Ich bin glücklich“. Bei dieser Generation Z(ukunft) dominiert die positive Einstellung zum Leben. Ihr Geheimnis: Sie machen sich keine Illusionen. Ihr Weg zum Glücklichsein besteht darin, sich zu bescheiden und vor allem nicht zu viele Ziele zu setzen. Sie haben Freude am Zusammensein mit Freunden und Familie und wissen ihr Leben in Freiheit zu schätzen.
Welche Glückstrends erwarten Sie für die kommenden Jahre? Gewinnt etwa das Ehrenamt an Bedeutung, schlägt das Pendel der Work-Life-Balance stärker Richtung „Life“ aus – was macht die Menschen im Jahr 2030 glücklich?
Von der Migration der Menschen zur Migration der Werte ist nur ein Schritt. Im Jahr 2030 geben Nachbarschaftshilfe, familiärer Zusammenhalt, Respekt vor dem Alter und Verantwortung gegenüber der nachkommenden Generation den Ton und Trend an. Die „3V“ – Vertrauen, Verantwortung und Verlässlichkeit – werden in der Werteskala der Deutschen dominant.
Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht Materielles, also Besitz und Eigentum, für das persönliche Glücksempfinden – zumal absehbar ist, dass es künftigen Generationen materiell eher schlechter gehen wird als uns heute?
In Zukunft kann uns nur eine neue Kultur des sozialen Wohlergehens weiterhelfen, die sich nicht mehr nur von materiellem Wohlstandswachstum blenden lässt. Was nützt das schönste Wachstumsversprechen, wenn es nur bis zum Quartalsende hält? Und was ist schon ein luxuriöses Penthouse am Starnberger See wert, wenn keiner kommt und einen besucht? Der Werbeslogan „Mein Haus. Mein Auto. Mein Boot“ taugt nicht mehr als Glücksformel für die Zukunft.
Künstliche Intelligenz gilt als das nächste „fette Ding“. Was müssen wir heute tun, damit es unser Glück tatsächlich steigert?
KI ist nur dann ein technologischer und sozialer Fortschritt, wenn sie heute zu einem besseren Leben beiträgt und morgen eine bessere Zukunft ermöglicht – im Sinne der Wachstumsdefinition des Sachverständigenrats von 1976, „es besser zu machen als bisher“. Das würde Menschen und Märkten zugutekommen und unser Glück tatsächlich steigern.
Kann ein Lotteriegewinn, zum Beispiel in Höhe von mehreren Millionen Euro, glücklich machen?
Geld beruhigt, aber Glück ist nicht käuflich. Gesundheit und Geborgenheit sind wichtiger als Geld.
Eine Frage noch zum Schluss: Was macht Sie persönlich glücklich?
Ein Job. Eine Familie. Ein Ehrenamt: Wissen, wofür man lebt!
Zur Person
Prof. Dr. Horst Opaschowski wurde 1941 in Beuthen/Oberschlesien geboren. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und fünf Enkelkinder. Mit seiner Forschungsarbeit über mehrere Jahrzehnte hinweg hat sich Prof. Opaschowski im In- und Ausland einen Namen als „Mr. Zukunft“ (dpa), „Zukunftspapst“ (Focus) und „Visionär mit Augenmaß“ (Nürnberger Zeitung) gemacht. Er hat „die Disziplin der Zukunftsforschung in Deutschland geprägt“ (WirtschaftsWoche) und ist „das Gesicht der Zukunftsforschung“ (Osnabrücker Zeitung). Über mehr als 30 Jahre war er Wissenschaftlicher Leiter der Stiftung für Zukunftsfragen (ehem. BAT Freizeit-Forschungsinstitut), seit 2014 leitet er das Opaschowski Institut für Zukunftsforschung (O.I.Z) in Hamburg. Prof. Opaschowski hat zahlreiche wissenschaftliche Beiträge und mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt „Du hast fünf Leben! Ein Wegweiser durch die Fünf-Generationen-Gesellschaft der Zukunft“ (mit P. Zellmann), Wien 2018.