Wie bewahren wir Optimismus und positives Denken auch in besonderen Zeiten? Im Interview gibt der renommierte Glücksforscher Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel Tipps für den Start in ein hoffentlich glückliches 2021!
2020 war für uns alle ein herausforderndes Jahr. Herr Prof. Ruckriegel, was denken Sie: Wird Corona langfristig Auswirkungen auf unsere Vorstellung vom Glück haben?
Ja, denn die Krise hat viele zum Nachdenken gebracht.
Wie wichtig werden nach Corona Materielles, Besitz und Einkommen für die Menschen sein?
Nach dem ersten Lockdown im Mai haben repräsentative Umfragen in Deutschland ergeben, dass Corona ein Umdenken angestoßen hat. Mehr als 80 Prozent der Befragten sagten, dass die Krise ihnen gezeigt habe, wie wichtig Familie und Freunde seien. 60 Prozent antworteten, dass sie weniger zum Leben bräuchten, mehr als 40 Prozent wollen weniger konsumieren. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine aktuelle Umfrage von Allensbach, die im Zeitraum von Mitte Oktober bis Anfang November 2020 stattgefunden hat.
Was würden Sie Menschen empfehlen, die sorgenvoll auf das neue Jahr blicken. Wie schaffen wir es, auch bei gesundheitlichen oder finanziellen Sorgen optimistisch zu bleiben?
Die Folgen von Corona haben die Menschen in Deutschland unterschiedlich getroffen. Wir müssen daher Solidarität zeigen. Zwar liegen im Winter noch einige harte Wochen vor uns. Impfstoffe sind aber verfügbar und der Winter dauert auch nicht ewig. Es deutet auch einiges darauf hin, dass Deutschland im Großen und Ganzen wirtschaftlich einigermaßen glimpflich durch die Krise kommen könnte, wobei es zwischen den einzelnen Branchen aber wohl deutliche Unterschiede geben wird. Insgesamt hellt sich das Bild also eher auf.
Man kann aber auch selbst viel tun, um positiv zu bleiben. Hilfreich sind Kursangebote wie etwa der AOK Bayern, die auf Erkenntnissen der Positiven Psychologie fußen. Anhand von vielen praxisnahen Übungen lernt man, die eigene Stärken für ein Problem einzusetzen, positive Erlebnisse bewusst wahrzunehmen und negative Gefühle zu hinterfragen.
Ich habe in den vielen Jahren, in denen ich mich mit der Glücksforschung beschäftige, viel gelernt. Ein Beispiel dazu: Heute rege ich mich nicht mehr auf, wenn ich im Verkehrsstau stehe. Denn ob ich mich ärgere oder nicht, ändert nichts an der Situation. Wir wissen aber auch, dass wir Menschen einen Negativ-Bias haben, das heißt wir nehmen negative Ereignisse viel intensiver wahr als positive. Es geht deshalb auch darum, die positiven Gefühle zu stärken.
Wie können wir das konkret tun?
Sehr wirksam ist ein Dankbarkeitstagebuch. Zwei-, dreimal die Woche können wir hier notieren, welche positiven Dinge sich seit dem letzten Eintrag ereignet haben. So stärken wir unsere positiven Gefühle. Auch sollten wir uns häufiger bei anderen bedanken, wenn dafür ein Anlass besteht. Wenn wir das eine Zeitlang so beibehalten, ändert sich unsere Sichtweise auf das Leben. Das heißt, wir nehmen das Leben positiver und damit realistischer wahr.
Was halten Sie von guten Vorsätzen zum Jahresbeginn? Warum werden sie so selten umgesetzt?
Positive Vorsätze sind gut. Das ist ein Anfang. Man sollte sich aber nicht zu viel auf einmal vornehmen, da wir viel Willensstärke und Selbstdisziplin brauchen, um die Vorsätze dann tatsächlich umzusetzen. Sonst ist das Scheiten vorprogrammiert.
Und haben Sie sich selbst zum Jahreswechsel etwas vorgenommen?
Ja. Ich möchte mehr Zeit für die Familie haben und mehr Sport treiben – beides klassische Vorsätze zu Silvester. Ich weiß auch, wie ich beides konkret umsetzen werde.
Wenn mein guter Vorsatz für 2021 „mehr Lebensfreude und mehr Optimismus“ lautet, was würden Sie mir konkret empfehlen zu tun?
Aus der Glücksforschung wissen wir, dass sinnvollen Lebenszielen eine große Bedeutung zukommt. Dabei sollten wir persönliches Wachstum, gute zwischenmenschliche Beziehungen und Beiträge zur Gesellschaft wie ein Ehrenamt im Blick haben. Wir sollten uns konkrete und klare Ziele setzen – und auf dem Weg dorthin daran arbeiten, dass im Tagesdurchschnitt die positiven Gefühle die negativen deutlich überwiegen.
Was ist Ihre Erwartung an das neue Jahr, wird 2021 für uns glücklicher als 2020?
Ja, ich bin da sehr optimistisch.
Zur Person
Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel ist Professor für Makroökonomie, Psychologische Ökonomie und interdisziplinäre Glücksforschung an der Technischen Hochschule in Nürnberg. Er gilt als einer der führenden deutschen Wissenschaftler im Bereich der Glücksforschung.