Glück als Schulfach? Diese zündende Idee macht seit über zehn Jahren Schule.
Was es mit dem Glücksunterricht auf sich hat und was auch Erwachsene davon lernen können – das erklärt der Initiator des Konzeptes im Interview.
Das Schulfach Glück nahm 2007 seinen Anfang an der Willy-Hellpach-Schule in Heidelberg. Der Initiator Dr. Fritz Schubert, selbst Lehrer, führte erstmals das neue Unterrichtskonzept ein – mit dem Ziel, die „physische und psychische Gesundheit für Lehrer und Schüler“ zu verbessern. Die Ergebnisse waren so positiv, dass bald weitere Schulen folgten. 2009 wurde das Fritz-Schubert-Institut gegründet, heute wird das Schulfach Glück – basierend auf dem immer weiter verfeinerten Ursprungskonzept – an über 100 Schulen in Deutschland und Österreich, in nahezu allen Schularten und Altersstufen unterrichtet. Fritz Schubert, 69 Jahre, beantwortet unsere Fragen zu der einmaligen Erfolgsgeschichte.
Was gab für Sie den Anstoß zu dem Projekt?
Meine Motivation war und ist es, Abschied zu nehmen von alten Strukturen. Als Lehrer und später Schulleiter musste ich immer wieder beobachten, wie wenig Freude das Lernen und Lehren oft bereitet. Depressionen oder Aggressionen können Folgen dieser permanenten Unzufriedenheit sowohl bei Schülern als auch bei Lehrern sein. Das wollten und wollen wir ändern – indem die Schule mehr Freude am Lernen und Leben vermittelt und zu einem Ort der Geborgenheit wird. Schule muss nicht bitter schmecken. Dafür braucht es Lehrer, die sich nicht als Fehlerfahnder, sondern als Schatzsucher verstehen. Das ist uns bei vielen gelungen. Zumindest bei denjenigen, die bereit zu Veränderungen waren.
Wie kamen Sie darauf, die neuen Lerninhalte unter dem Begriff „Glück“ zusammenzufassen?
Wir haben das neue Schulfach „Glück“ genannt, weil der Wortursprung „gelucken“ oder „gelungen“ auf das verweist, was wir im Sinn haben: nämlich die Voraussetzungen für ein gelingendes Leben aufzuzeigen. Neben dem Aspekt der puren Lebenskompetenz, also sein Leben zu bewältigen, soll es vor allem auch Lebensfreude beinhalten. Freude ist schließlich nicht nur die Voraussetzung für das erfolgreiche Lernen, sondern unterstützt auf lange Sicht die seelische und körperliche Gesundheit.
Wie kann man sich konkret den Glücksunterricht vorstellen?
Im Kern geht es darum, persönliche Stärken der Schüler zu identifizieren und zu fördern – Stärken, die sonst womöglich nie entdeckt wurden.
Was sind das für Stärken?
Dazu gehören soziale Kompetenzen wie zum Beispiel Empathie, Hilfsbereitschaft oder die Fähigkeit Verantwortung zu übernehmen, ebenso wie Ausdauer, Mut oder die Kraft, sich nach Niederlagen wieder aufzurichten. Oft erkennt der Schüler selbst nicht, dass er diese Stärken hat. Hier braucht es eben Mutmacher und Glücks-Vermittler. Doch es geht nicht nur darum, eigene Stärken kennenzulernen, sondern in einem zweiten Schritt, auch Träume und Wünsche zu formulieren. Was davon ist wichtig? Welches Motiv steckt dahinter? Dann soll man dem Traum ein konkretes Datum geben, damit er Realität werden kann.
Unterrichten Sie damit so etwas wie eine Anleitung zum Glücklichsein?
Nein, Glück ist etwas höchst Individuelles. Wie sagt schon das Sprichwort? „Es ist schwer, das Glück in uns zu finden, und es ist ganz unmöglich, es anderswo zu finden.“ Wir wollen keine fertige Bauanleitung zum Glücklichsein vermitteln – wenn es diese überhaupt gäbe – sondern möchten jungen Menschen die Werkzeuge an die Hand geben, um selbst ihr persönliches Glück zu finden. Dazu gehören Vertrauen zu sich und anderen, aber auch die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und sich wertschätzend zu begegnen. Wie sagte mir ein Schüler einmal: „Herr Schubert, Sie sind der erste, der mir etwas zutraut.“ Dieses Selbst-Vertrauen, das vielen Kindern und Jugendlichen gar nicht erst vermittelt wird, ist jedoch die Basis, um das eigene Glück „machen“ zu können.
Können Sie die Wirkung des Glücksunterrichts konkret messen?
Ja, und das direkt anhand des ersten Projektes an meiner früheren Schule in Heidelberg. In der anschließenden Evaluation der Unterrichtsergebnisse eines Jahres konnte wissenschaftlich nachgewiesen werden, dass die teilnehmenden Schüler sich nicht nur wohler als die der Kontrollgruppe fühlten und die Schulgemeinschaft wertvoller einschätzten, sondern dass sie vor allem auch mehr Lebenssinn empfanden. Eine Studie der Uni Mannheim belegt konkret den Zuwachs an Lebensfreude durch das Schulfach Glück.
Mehr Lebensfreude und mehr Lebensglück – das würde sich nicht nur so manches Schulkind wünschen. Ist Ihr Konzept auf andere Bereiche außerhalb der Schule übertragbar?
Ja, das ist es in der Tat. Es gibt zahlreiche weitere Anwendungsgebiete für den Glücksunterricht, beispielsweise im Coaching, im Sport oder im Gesundheitsbereich. Seit mehreren Jahren kommen etwa die jungen Fußballer der TSG 1899 Hoffenheim in den Genuss des Glückskonzepts. Daneben versuchen soziale oder gesundheitsorientierte Einrichtungen wie Rehakliniken und Kinderheime, die Konzeption umzusetzen.
Eine persönliche Frage noch zum Schluss: Was macht Sie glücklich?
Allgemein gesagt: Sinnvolles Leben und Erleben gibt mir Glück. Meine Frau, Kinder und Enkel, die ich liebe, stehen absolut im Mittelpunkt. Kreativ sein, nach körperlicher und sportlicher Anstrengung Zeit im Garten verbringen, all das sind Glücksmomente für mich. Ich bin der festen Überzeugung: Lebensglück stellt etwas Längerfristiges dar, für das jeder etwas tun muss. Immer in Bewegung sein, Stillstand vermeiden, bevorstehende Aufgaben und Herausforderungen meistern – das ist pures Glück!