Wie viel Glück ist uns bereits in die Wiege gelegt. Wie sehr können wir unser Glück selbst beeinflussen – und können wir lernen, zufriedener mit uns selbst und unserem Leben zu sein? Prof. Dr. Michaela Brohm-Badry, eine der führenden Expertinnen auf dem Gebiet der Positiven Psychologie in Deutschland, gibt Antworten im Interview.
Frau Prof. Brohm-Badry, kann wirklich jeder Glück lernen?
Ja, zu weiten Teilen. Ungefähr die Hälfte des Glücksgefühls hängt wohl von den Genen ab, aber rund 40 Prozent liegen im Verhalten und weitere 10 Prozent in unserer Umwelt. Und beides können wir selbst beeinflussen: Achten wir auf das Gute, Schöne, Liebevolle in unserem Leben? Haben wir Ziele? Tun wir etwas dafür, sie auch zu erreichen? Kümmern wir uns um die Menschen, die uns nahe sind? Glück hängt also zu einem starken Anteil von uns selbst ab.
Und das sind insbesondere die „glücklichen Fünf“ für das Leben:
- positive Gefühle, also zum Beispiel auf das Gute hoffen, dankbar, neugierig und freundlich sein, liebevoll leben
- engagiert und motiviert für etwas sein
- gute, tiefe, vertrauensvolle Beziehungen aufbauen und halten
- einen Sinn finden im Leben und
- so handeln, dass wir das Gefühl haben, wirksam, also erfolgreich zu sein. Das bedeutet oft, die Dinge wirklich zu Ende zu bringen und nicht mittendrin aufzugeben.
Das Wichtigste, um glücklich zu sein, ist jedoch wohl die Perspektive, die wir auf unser Leben wählen. Negative Menschen fokussieren sich auf das, was sie in ihrem Leben ablehnen. Frohe Menschen auf das, was sie an ihrem Leben lieben. Und die Freiheit, diese Perspektive selbst wählen zu können, ist unsere innere Freiheit.
In ihrem neuen Buch berichten Sie über sehr persönliche Erfahrungen. Was meinen Sie mit dem Titel „gutes Glück“, gibt es auch anderes?
Ich habe lange Zeit unter hohem Druck gearbeitet. Erst durch eine schwere Krankheit ist mir klar geworden, dass der permanente „Glücks-Kick“ durch Leistung nicht ausreicht für ein gutes Leben. Mit „schlechtem Glück“ meine ich, dass wir biochemisch oder durch unsere Persönlichkeit immer wieder dazu getrieben werden, mehr zu schaffen. Die „Glückshormone“ treiben uns zu immer neuer Höchstleistung. Das kann in zerstörerischem Stress, in Burnout und Depression enden. Das „gute Glück“ ist ein viel ruhigeres, beständigeres. Wir erfahren es, wenn wir unsere Talente und Fähigkeiten in den Mittelpunkt stellen. Es ist ein In-sich-ruhen, sozusagen.
Den eigenen Fertigkeiten und Talenten zu folgen, das ist oft einfacher gesagt als getan. Wie können wir diesen Wunsch konkret anpacken?
Meistens können wir das gut, was wir auch mögen. Der eine ist zum Beispiel mutig, kreativ oder lernt gerne etwas Neues, ein anderer ist ausdauernd, führt gerne Gruppen, ist sozialkompetent, fair, organisiert gerne oder ist begeisterungsfähig. Ein guter Weg ist, uns selbst zu beobachten, herauszufinden wo unsere Stärken liegen und diese möglichst oft im Beruf oder Privatleben einzusetzen. Manchmal helfen schon kleine Entscheidungen in die richtige Richtung: Wer gerne lernt, sollte sich in die neue Software einarbeiten statt Tabellen zu prüfen. Wer kreativ ist, sollte nicht unbedingt die Buchhaltung übernehmen. Wer neugierig ist, rennt in der Wildnis statt Runden auf dem Sportplatz. Es geht um Stimmigkeit.
Resilienz ist zu einem Trendbegriff geworden. Was können wir tun, damit wir Krisensituationen besser meistern?
Was wir in vielen Studien übereinstimmend finden, sind körperliche Stärke, also Fitness und Gesundheit, genug Geld für gute Nahrung, gesunde Wohnung und Gesundheitsvorsorge, und psychische Ressourcen. So leben psychisch starke Menschen stabile Beziehungen und lösen zwischenmenschliche Probleme aktiv. Sie haben enge Bindungen an ihre Geschwister, die eigene Familie, andere Verwandte, Freunde oder Nachbarn. Sie haben mindestens eine stabile Bezugsperson, der sie vertrauen. Durch ihr Vertrauen, ihren Zusammengehörigkeitssinn und die daraus resultierende warmherzige Zuwendung haben sie das Gefühl, sozial sicher zu sein – das gibt Kraft.
Würden Sie sagen, dass schwierige Lebenssituationen am Ende sogar zu mehr Glück beitragen können?
Ja, viele von uns haben im Leben schmerzhafte Erfahrungen gemacht, wie die unerwartete Trennung eines geliebten Menschen, den Tod des Partners oder der Eltern, eine schwere Krankheit oder andere Ängste. Viele Menschen berichten danach, sie würden das Glück in ihrem Leben stärker wahrnehmen und wären als Person gewachsen. Das bedeutet aber nicht, dass wir Leid erfahren müssen, um glücklich zu sein. Aber wir haben die Chance auf Glück auch nach einer schmerzhaften Erfahrung. Und bei sehr großen Krisen können wir uns professionelle Hilfe holen. Wie auch immer: Wir können begründet hoffen, dass es uns besser gehen wird. Das zu wissen, ermutigt in dunklen Zeiten.
Hat sich aufgrund Ihrer Erkrankung der Blick auf das „gute Glück“ und auf Ihre Prioritäten im Leben geändert?
Ich beschäftige mich mehr mit Themen, die gut für die Seele sind: Wer viel über Freude, menschliche Wärme, Lernen, Motivation und Wohlbefinden liest, hat kaum eine Chance, schlecht drauf zu sein. Und empfinde eine deutliche innere Klarheit: Ich habe keine Zeit mehr für das Künstliche, Aufgesetzte. Wenn es hart auf hart kommt im Leben, zählt nur noch was echt, menschlich und wahr ist.
Noch eine persönliche Frage zum Schluss. Angenommen, Sie gewinnen einen zweistelligen Millionenbetrag. Würden Sie Ihr Leben ändern–- und wenn ja, wie?
Wir hätten ein Haus am Meer, ich würde auf das Wasser schauen, Cellomusik hören und wunderbare Bücher schreiben.
Zur Person
Prof. Dr. Michaela Brohm-Badry ist Professorin für Empirische Lehr-Lern-Forschung sowie Dekanin des Fachbereichs Erziehungs- und Bildungswissenschaften, Philosophie und Psychologie an der Universität Trier. Sie gilt als eine der führenden Expertinnen für Positive Psychologie und hat bereits zwölf Bände zu Themen wie Motivation und Positive Führung publiziert, zuletzt das Buch „Das gute Glück“. Prof. Brohm-Badry führt seit 2014 einen Wissenschaftsblog auf Spektrum der Wissenschaft und hält Vorträge auf Konferenzen, Kongressen, in Bildungsorganisationen und Unternehmen.